Lebensraum-Preis 2001
Laudatio für Ems Troxler-Bättig

Von Josef J. Zihlmann

 

Mit Preisen ist es so eine Sache: Oft genug ehrt sich die Institution, die den Preis vergibt, selber, indem sie ihn an eine schon häufig geehrte Persönlichkeit vergibt in der Absicht, sich damit selbst zu ehren. Was bei vielen Preisen der Fall ist – beim Lebensraum-Preis 2001 ganz bestimmt nicht. Denn mit Ems Troxler ehrt sie eine Persönlichkeit, deren Wirken zwar wahrgenommen wird, in der Öffentlichkeit jedoch kaum je gewürdigt worden ist. Aber dennoch darf sich die Lebensraum-Stiftung mit der Ehrung von Ems Troxler selber geehrt fühlen: Ihr fällt die Ehre zu, das nachzuholen, was hier in Willisau längst fällig gewesen wäre – die Anerkennung der Leistungen von Ems Troxler.

Warum dem so ist, kann der Begründung der Lebensraum-Stiftung entnommen werden: Sie hat für die Vergabe der diesjährigen Preise die Formel "Unspektakulärer Idealismus" gefunden und verleiht Ems Troxler den Lebensraum-Preis "in Anerkennung ihres Einsatzes bei der Gründung und beim Aufbau des Jugendtheaters Willisau sowie der grossen Hintergrundarbeit, die sie für das Jazzfestival und die Theatergesellschaft Willisau leistet".

Hintergrundarbeit? Eigentlich würde man Ems Troxlers Engagement besser "Grundlagenarbeit" nennen. Sie legt mit ihrem unermüdlichen Einsatz die Grundlage dafür, dass hier in Willisau so vieles entstehen konnte und immer wieder neu entsteht, die Grundlage dafür, dass hier stets von neuem "eine lebendige kulturelle Auseinandersetzung ermöglicht" (Stiftungszweck) wird, die Grundlage für einen lebendigen, von Offenheit, Kreativität und Lebensfreude geprägten Lebensraum, ganz im Sinn der Lebensraum-Stiftung.

Da ist einmal das Theater. Ausser vor langer Zeit im Blauring hat Ems Troxler selber nie Theater gespielt. Aber sie hat Theater gemacht und für das Theater gearbeitet, ja geschuftet, und für das Theater gekämpft. Seit zehn Jahren macht sie nun für die Aufführungen der Theatergesellschaft Willisau die Kostüme. Und seit zehn Jahren gehört sie auch dem Vorstand der Theatergesellschaft an. Und schon vor zehn Jahren hat sie sich zum Ziel gesetzt, Jugendlichen Gelegenheit zu geben, Theater zu spielen. Als Lehrerin und Mutter von drei Töchtern hat sie gespürt, welche Kraft bei jungen Leuten über das Theaterspielen zum Tragen kommt, welch grosse Begeisterung und welch starkes Durchsetzungsvermögen das Theaterspielen bei jungen Menschen wecken kann. So hat Ems Troxler 1993 das Jugendtheater Willisau mitgegründet, und sie hat sich immer wieder mit Begeisterung und Hingabe dafür eingesetzt, dass dieses seitdem unter professioneller Führung weiter arbeiten und so viele eindrückliche Inszenierungen auf die Bühne bringen konnte. Ich denke etwa an "Eine Stunde der Liebe" oder "Ein wenig Lärm um Shakespeare", ein Austauschprojekt mit dem Jugendtheater von Moskau, oder an "Ein Schweizerabend" in Zusammenarbeit mit der Theatergesellschaft Willisau oder an das Stück vom vergangenen Sommer "Leonce und Lena", mit dem die Willisauer am Zürcher Jugendtheatertreffen "Spiilplätz" teilnehmen durften. Wer mit Jugendlichen arbeitet, weiss, wie viel Beharrlichkeit es braucht, um bei dem von Natur aus gegebenen ständigen Wechsel der Beteiligten eine Kontinuität in der Arbeit zu gewährleisten, eine Beharrlichkeit, die Ems Troxler eigen ist, nicht eine aufdringliche, verbissene, sondern eine ansteckende Beharrlichkeit, die auf ihrer eigenen Überzeugung und auf der Fähigkeit beruht, andere zu überzeugen. Gemeinsam Theater zu machen, das zeigen die Erfahrungen nicht nur mit Jugendlichen, aber bei ihnen ganz besonders, heisst: In eine Rolle schlüpfen und zugleich sich selber sein. Sich selber und den andern etwas zumuten. An sich selber, aber auch am und im Team arbeiten. Sich auf seine Mitspielerinnen und Mitspieler einlassen, auf sie Rücksicht nehmen. Sich führen lassen, aber auch sich selber durchsetzen. Begangene Fehler ausbügeln und den andern dabei zu helfen. Spontan auf eine neue Situation reagieren. Eine Aufführung, ja vielleicht ein Dutzend und mehr Aufführungen durchstehen. Den Mut aufbringen, vor andere Leute hinzustehen – zu etwas zu stehen – statt sich in die hinterste Reihe ducken. Selber aktiv und kreativ sein statt nur konsumieren. Etwas für andere und mit anderen leisten. Erkennen, dass in der Zusammenarbeit mit andern so viel entstehen kann. All dies macht das Laientheater aus, wie man es in der Willisauer Theatertradition versteht. Im Umfeld dieses Theaters – des Jugendtheaters und der Theatergesellschaft – ist hier in Willisau ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden, das als ein wichtiges Element zu einem lebendigen, zukunftsgerichteten Lebensraum beiträgt. Dass der Lebensraum Willisau so lebendig, so zukunftsgerichtet ist – es ist auch auf die hiesige intensive Theaterarbeit zurückzuführen. Und in ganz besonderm Mass der Grundlagenarbeit Ems Troxlers zu verdanken.

Und dann ist da der Jazz. Nicht nur das Jazzfestival, wie es in der Preiswürdigung heisst, sondern Jazz in Willisau ganz allgemein. Gewiss: Der gute Ruf, den Willisau mit seinem Festival weit über die Kreise der eigentlichen Jazzfans hinaus erhalten hat, ist in erster Linie Niklaus Troxlers Verdienst. Er ist es, der mit Jazzkonzerten begonnen hat. Er ist es, der das Programm zusammenstellt und dem Festival den Stempel aufdrückt. Er ist es, der mit den Musikern bzw. ihren Managern verhandelt. Er ist es, der vor den Konzerten auf die Bühne steht. Er ist es, der Jazz in Willisau repräsentiert und mit dem Festival identifiziert wird. Zu Recht. Aber er selbst wird mir ganz gewiss zustimmen, wenn ich hier feststelle, dass es ohne die Hintergrundarbeit seines Bruders Walter und eines ganzen Teams, vor allem aber seiner Frau Ems kein Jazz in Willisau und schon gar kein so grosses und grossartiges Jazzfestival geben würde. Ems Troxler ist es, die den administrativen Kram erledigt. Sie ist es, die die organisatorischen Fäden zusammenhält. Sie ist es, die all die unzähligen Details einer derart grossen, komplexen Veranstaltung im Blick behält. Sie ist es, die im ganzen hektischen Betrieb der ruhende Pol ist. Und das seit 30 Jahren. Dieses grosse Engagement im Hintergrund ist nicht selbstverständlich. Ich kann mir vorstellen, dass es zuerst ihrer Verliebheit in Niklaus zuzuschreiben war, dass sie 1970 bei seinen Konzerten mitzuarbeiten begonnen hat. Und es mag auch zu einem Teil der ehelichen Solidarität entsprungen sein, dass sie so viele Jahre mitgetragen hat, auch damals, als ihre Töchter noch klein waren und Ems oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kam. Und ganz gewiss ist es Niklaus Troxlers Begeisterung, seine Leidenschaft, ja seine echte Liebe für den Jazz, die sich auf Ems übertragen hat und die sie längst mit ihm teilt. Aber trotzdem: Es ist der für sie typische Pragmatismus, dem ihr Einsatz für Jazz in Willisau zu verdanken ist. Bei aller Begeisterung und Leidenschaft – es war ihr stets bewusst, dass gewisse Arbeiten erledigt werden müssen, wenn diese Begeisterung und diese Leidenschaft nicht abflauen sollen. Jazz in Willisau hat viel bewirkt. Es ist für mich persönlich und für viele andere zu einem ganz zentralen Bestandteil der hiesigen Lebensqualität geworden, und es hat ganz wesentlich zur offenen, kreativen Atmosphäre hier in Willisau beigetragen. Es ist also ein ganz wichtiges Element unseres lebendigen, zukunftsgerichteten Lebensraums. Das ist in ganz besonderm Mass auch der Grundlagenarbeit Ems Troxlers zu verdanken.

Aber Ems wäre nicht Ems, wenn es mit all dem sein Bewenden hätte. "Ich beneide sie, dass sie so viel zu leisten vermag", hat mir kürzlich jemand gesagt. Es gäbe über sie also noch viel mehr zu sagen. So etwa, dass sie eine begnadete Lehrerin für bildnerisches Gestalten ist und sich auch ausserhalb ihres eigenen Fachs für eine lebendige, offene und kreative Schule einsetzt und sich stets weiterbildet. Oder dass sie eine engagierte Mutter ist und eine wunderbare Familie hat. Dass sie also auch in ihrem beruflichen und familiären Umfeld beste Grundlagenarbeit geleistet hat und leistet.

Und da wäre noch etwas zu erwähnen: Ems Troxler ist eine gute Künstlerin. Dass das ausserhalb ihres engeren Familien- und Freundeskreises kaum jemand weiss – auch das ist für sie bezeichnend. Still, bescheiden und beharrlich arbeitet sie in ihrem kleinen Atelier – auch hier also Arbeit im Hintergrund.

Aber für einmal steht Ems Troxler nun im Vordergrund. Mit ihr würdigt die Lebensraum-Stiftung eine Persönlichkeit, die sich durch Kreativität, Bescheidenheit und Beharrlichkeit auszeichnet, eine Persönlichkeit, die genau das verkörpert, was der Stiftungsrat in diesem Jahr auszeichnen wollte: Unspektakulärer Idealismus.

Dass Ems Troxler diesen unspektakulären, aber umso wertvolleren Idealismus weiterhin ausübt, wünsche ich ihr, wünsche ich aber vor allem uns allen, die davon immer wieder profitieren dürfen, wir im unserem Lebensraum Willisau.

Josef J. Zihlmann, Willisau, 12.12.2001

Stiftung Luzern – Lebensraum für die Zukunft

  

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